Sehr geehrter Herr Bundesrat Sehr geehrter Herr Koch

 

Der Schweizerische Seniorenrat dankt Ihnen für Ihre umsichtige Führung der Schweizer Bevölkerung durch die aktuelle Krise. Wir anerkennen, dass Sie ihr Augenmerk besonders auf die Gesundheit von Seniorinnen und Senioren legen.
Wir müssen jedoch auch feststellen, dass nach wie vor noch vieles in Zusammenhang mit Covid19 unklar ist. Es ist noch weitgehend unbekannt, wie das Virus seine Wirkung auf den Menschen entfaltet. Ist es die Menge der Viren die den Unterschied macht, ob man tatsächlich erkrankt oder nicht? Der Virologe Christian Drosden vermutet, dass die Krankheit darum häufig das Gesundheitspersonal trifft. Oder sind Menschen mit Gendefekten oder einer bestimmten Blutgruppe besonders gefährdet? Ist es grundsätzlich eine geschwächte Immunabwehr, müssen bestimmte Vorerkrankungen vorliegen, oder ist es einfach generell das Alter über 65?
Der Seniorenrat ist überzeugt, dass Hochaltrigkeit ein höheres Risiko bedeutet an Covid-19 zu sterben. Doch die meisten an Covid-19 Erkrankten, so die Zahlen aus China und Deutschland, scheinen der Altersgruppe zwischen 35 und 59 Jahre anzugehören. Damit bestätigt sich, dass letztlich Menschen jeden Alters mit Vorerkrankungen gefährdet sind – dass also nicht das Alter, sondern das Vorhandensein von Vorerkrankungen entscheidend ist. Darum gilt es Massnahmen zu treffen, die alle schützen. Offen ist für uns auch der Aspekt, wie weit das soziale Umfeld einen Einfluss hat. Zahlen aus der USA lassen dies vermuten.
Mit Sorge verfolgen wir die vornehmlich auf die Seniorinnen und Senioren fokussierte Medienkampagne. Was bringt das Ausspielen von Wirtschaft versus Gesundheit – oder Jung gegen Alt? Soll den Alten die Schuld an der wirtschaftlichen Folgen dieser Krise in die Schuhe geschoben werden? Damit wird einer Entsolidarisierung der Gesellschaft Vorschub geleistet, deren Nachwirkung weit über die Pandemie hinaus schwerwiegende Folgen nach sich ziehen wird.
Wenn selbst die SAMW, die Schweizerische Akademie für medizinische Wissenschaften, sich nicht scheut, die überlebenswichtige Intensivpflege durch eine Altersgrenze zu limitieren, und mit einer Umfrage in Erfahrung bringen will, welches Leben es wert ist, gerettet zu werden angesichts der Knappheit an Beatmungsgeräten, dann befinden wir uns auf gefährlichem Terrain.
 
Wir bitten Sie, diesen Tendenzen entgegenzutreten und aufzuzeigen, dass nicht alle Seniorinnen und Senioren automatisch gefährdet sind oder generell der Risikogruppe angehören. Bereits heute werden über 65-Jährige in der Öffentlichkeit beim Einkaufen oder Spazieren kritisch angeschaut, was viele verunsichert sind, und sich zunehmend aus dem sozialen Leben zurückziehen und vereinsamen. Daher ist es u.E. wichtig, dass klar kommuniziert wird, wann und wie Menschen über 65 Jahre wieder am sozialen Leben teilnehmen können. Was es braucht – und da teilen wir Ihre Meinung - sind intelligente Lösungen, um allen gefährdeten Personen den Selbstschutz zu erleichtern.
Der SSR dankt dem Bundesrat für seinen grossen Einsatz in dieser schwierigen Zeit und hofft, dass der Bundesrat unserem Anliegen im Interesse aller älterer Menschen Rechnung tragen wird.
 
Freundliche Grüsse
SSR Copräsidium
 
Bea Heim und Roland Grunder